dreamreader. eyne allegorie
wir waren immer weit draussen, zu jeder zeit im jahr. und wir störten uns nicht an den geschichten, die immer wieder einmal auftauchten, aus nachbardörfern oder bey den seltenen reisenden. wir waren einfach den silberklaren nachthimmel gewöhnt und brannten mit den lichtern dort oben, in der weite.
wir waren die herrscher all der eisigen weiten im norden, wenn wir am glastflock entlang und dann westwärts ritten, fiel uns nie etwas ins herz. wir waren voll krafft und schöner stärke, unser athem schoss bleich und verwegen in die immerkalte lufft. wir nahmen, was wir konnten und brauchten. als an eynem weiten abend dann romtad zu uns stiess, jauchzten die alten zunächst ob des epischen temperamentes und der unbrüchigen brust dieses wesens, frohlockten, als sie die vielen zeichen im holz seynes schildes erblickten. die paar jungen aus der siedlung wussten eynen erfüllenden neid zu unterdrücken und folgten ihm tief in die wälder mit begeisterung.
einzig kjartan, unser traumleser, zuckte im inneren zusammen und hatte seit dem tag schreckgeweitete augen. ich konnte es sehen, denn ich schlief damals viel in seyner hütte.
alles hatte gerade angetaut und die welt war mehr grün als weiss für eyne kurze zeit. wir genossen das und hatten nach der jagdt, die nun immer reichlich ausfiel, zeit für die inneren unruhen, die uns mit dem frühen licht ergriffen. ich musste darüber erst lachen, dachte, ich hätte alles gesehen, bis ich galadry aus eyner siedlung hinter dem weiher kommen sah. sie kam bald gern zu kjartan und liess sich ihre träume sagen.
die meisten aus unserer gruppe hassten sie lebhafft, was ich zuerst verstaunte. tdheód rief einmal, dass sie wie eyn krankes thier sey, das bald sterben müsse. solche wie sie könnten nicht lange seyn. als ich das fragte, schlug er mich.
ich dachte, dass tdheód eyn kluger mann sey, weil er bey der jagdt vieles erlegte. ich dachte, dass man das kranke thier schützen könnte, damit es lebt.
ihr haar war kurz und sehr schwarz, schwarz, wie ihre runden augen. schwarzes, schimmerndes glas.
damals machte mich das nicht fürchten, nein, sie verkörperte für mich das ganze leben, was mich auch so umgab. alles an ihr war entweder wie die dunkelheyt der nacht oder wie kalter und reibender schnee.
und wenn sie zu uns kam, zu kjartan, dann sprang ich meist schon auf dem weg zur hütte hinter ihr her und stiess und schubste sie eyn wenig oder bewarff sie mit kalten, weichen bällen. zuerst befand sie das für töricht und kümmerte sich nicht viel. doch schon bald stiess ihr lachen in den eisigen wald hinaus und hatte auch in mir etwas klingen gemacht. wir gingen bald offt durch die verhangenen bäume; auch ich durffte bald ihre träume hören, träume und mehr als das, was sie anderen frembd machte. auch romtad verachtete sie bald.
ich ahnte, dass eyne ungewohnte liebe sie uns entsetzte, und sie erzählte mir auch bald und lange von ihr. im dumpffen, klingenden wald malten ihre worte schöne augen und leuchtend wallendes haar und helle stimmen.
selbst sang sie auch offt, that das aber nie ohne eyne nverweis darauf, dass ihre eigene stimme bey weitem nicht so schön sey. als der neue, letzte und ewige winter uns antrat, sagte sie von sich, sie sey eyn krankes thier, welches ohne eynen hüter verderben müsse, weil sie anders gemacht sey. ich schmiegte meyne lippen an ihren nackten arm und erwiderte, dass der wald ohne ihre stimme stürbe, auch dass sich wohl eyn hüter würde finden lassen.
bald merkten wir, dass etwas ungewöhnlich kaltes in die lufft fiel. aber als die anderen noch geifferten und unkten, fand kjartan schon seynen weg zu romtads sommerhütte. dorthin folgte ich ihm.
romtad gestand auf kjartans gezieltes fragen hin ohne zögern, dass er eyn bringer sey. er könne das aber nun nicht mehr thun.ich befand die bringer stets für etwas heldenhafftes und freute mich, nach vielen erzählungen über sie nun eynen zu sehen. kjartan jedoch war das blanke entsetzen ins gesicht gepresst. die bringer, erklärte er auf dem kalten, letzten weg zu unserer hütte zurück, seyen etwas besonderes, denn sie führten die geister immer weiter. aber, so fuhr er mit banger stimme fort, verliert eyn bringer seyne stete und setzt sich fest, so bringt das unglück des himmels. ich lachte, bis er mir von der gegend um hrörskg sprach, wo vor langer zeit etwas ähnliches geschehen war, vor eyner ewigkeyt, noch vor hägnis’ zeit muss das wohl gewesen seyn. da erschrack auch ich nun, ich wusste, wie hrörskg heute aussah und dass von dort immer noch wieder grauslige wesen bis zu uns herunter stiessen. meyn urgrossvater hatte mir von der schrecklichen eygnis erzählt, gegen die er mit anderen seyner siedlung als junger mann gekämpft hatte. seyn arm läge heut noch in hrörskg und aus dem verstorbenen fleisch werde eynst eyne neue creatur, die im letzten winder der welt dann zu uns käme.
urgrossvater war wirklich dankbar, sterben zu dürffen, bevor es soweit war, fürchtete aber um mich als von demselben fleische. hrörskg heisst bey uns auch beynfelsen.
der weg zu unserer hütte war sehr weit, und kjartan hiess mich voraus gehen, er wollte noch einiges nöthige sammeln. es war an dem tag, als erster schnee kam. schrecklicher als je.
ich war den uralten weg zwischen den tieffen bäumen so offt gegangen, auch im tieffen schnee. aber an diesem tag ging das grauen mit mir. ich fand fremdartige, gigantische spuren, die mehrmals knietieff den weg gekreuzt hatten. irgend etwas musste sich den weg quer durch das starke gehölz gebrochen haben, etwas viel höheres als unsere geliebten tausendjahrbäume.manchmal spürte ich im boden eyn schüttern aus der ferne, so, als ob etwas schweres ginge. schnee fiel in dicken mützen von den bäumen. und manchmal glaubte ich gar, hinter mir eyn riesenhafftes klauenwesen spüren zu können und wagte vor entsetzen kaum das umsehen. doch dann war da nur der weisse, dicke weg mit meynen einsamen spuren, links und rechts davon der wald in weiss und tieffer schwärze; darüber der silberne horizont.
ich hastete den weg von zwey tagen in mehreren stunden, doch als ich im abend unsere hütte sah und dort lichteraugen bemerkte, starb ich fast vor schreck.
aber es war galadry, die an der feuerstelle sass und auch die thiere versorgt hatte, die sich im kleinen raum unruhig drängelten. galadry war nicht mehr wegen kjartan hier. ihre dunklen augen glänzten in dem bleichen gesicht, als sie mir vom todt ihrer siedlung berichtete. alles an ihr bebte und zitterte, dort hatte sie ihre einzige und letzte liebe verloren. sie ist zerrissen hatte sie fassungslos zu mir gesagt und sich dann bereit willig und gleichgültig küssen lassen.
als die sonne langsam verschwand, dachten wir bang an die worte der prophezeihung, die nun kamen. wir sahen in das dunkel hinaus und hörten wiederholt das leise schüttern in der ferne. und als ich kurz draussen war, um holz herein zu holen, stelle ich verwundert fest, dass der wald zu finsterem leben erwacht war. rufen und zischen ertönte von thieren, die ich nie zuvor gehört oder gesehen hatte. der wald war meyn feind geworden. ich stürzte in die hütte zurücke und wir verschlossen und verriegelten sorgsam alles rundherum. die katapalken im stall schoben und schnaubten unruhig und wollten zu uns in den wohnraum. die zweige unseres hausbaums, die der wind sorgsam übers dach schob, machten mir angst heute, als hätte ich das nie zuvor gehört. ich schmiegte mich an galadrys weisse glieder und liess mich von ihren thränen netzen.
später, als die nacht etwas mondhell war, sahen wir schwachen feuerscheyn am himmel. das musste nahe ptjölls hütte seyn.
sie schloss mich wieder in die arme und sagte, dass da draussen etwas umginge, dass es meyn wesen wäre und dass es alle menschen zerrisse und frässe, so wie sie. es käme vom norden, so wie romtad, der wohl nun auch schon todt seyn musste. und nach uns ginge es weiter nach süden oder westen. man sagte sich früher, dass es auch im westen noch welche von uns gäbe, aber daran glaube ich nicht. wir sind völlig alleyn hier.
ich wollte ihre thränen von den wangen küssen, als ich bemerkte, dass es bluth war, was sie weinte. sie hatte es also gesehen. sie zog sich auf die warme ofenbank zurück und wollte dort schlafen. sie wolle nur von ihr träumen. ich dürffte ihr folgen. wir bebten in angst durch die ganze GOttlose nacht. am morgen, als das licht kam wie zum ersten mal, eyn anderes licht aber, fanden wir kjartan. seyn körper lag entstellt und zerrissen, wie von eynem riesigen schnabel durchbissen. er hatte gyös gesammelt und wollte vermuthlich eyne letzte beschwörung versuchen.
galadrys siedlung dampffte und stank, viele der fleischenen brocken waren schon von katapalken und tapiren verzehrt. sonst fanden wir niemanden mehr.
manchmal konnte ich auf den bergan der anderen seite eynen riesenhafften schemen ausmachen, etwas wie eyn sehr hoher vogel mit rudernden armen. des öffteren hörte man auch grausliche schreye aus dem westlichen thal, von deren ursprung ich nicht denken wollte.
ich trug galadry über den schnee, wärmte ihre kalten füsse und küsste ihre blinden augen, und sie fragt sich, wie ich nur jenen furchtbaren weg hatte kommen können, wie ich nur hatte überleben können, den weg des biestes kreuzend. wir sitzen und verbrennen zapfen im herd über den ahnen und sie erzählt mir die träume eyner ungestorbenen und ich lese bluth in ihren augen und angst im wald. seit dieser nacht ist winter.